Rede zum Haushalt der Stadt Selm 2023
(Weiter unten finden Sie zudem noch die Rede zum Haushalt 2022)
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Orlowski,
sehr geehrte Frau Beigeordnete und Kämmerin Engemann,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Rat,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger unserer lebenswerten Stadt,
wir beraten heute den Haushalt der Stadt Selm für das Jahr 2023. Das Budget-Recht gilt als der Höhepunkt der parlamentarischen Befugnisse des Rates. In der Haushaltsberatung werden die Weichen für den Lauf des gesamten Jahres gestellt. Dazu gehört nicht nur ein Rückblick auf die vergangenen Monate, sondern auch eine Prognose für die vor uns liegende Zeit.
Das Jahr 2022 bot einen Höhepunkt der Stadtgeschichte Selms. Vor 900 Jahren übertrugen die Grafen Gottfried und von Cappenberg ihre Burg an den neu gegründeten Orden der Prämonstratenser. Zeitgleich wurde der 900 Geburtstag von Kaiser Barbarossa gewürdigt. Rechtzeitig zum Jubiläum war die Renovierung des Schlosses vollendet. Das Museum ist auf einen neuen Stand gebracht worden. Durch den Einbau eines Aufzugs ist es nun auch für behinderte und ältere Menschen leicht zugänglich, die nun ebenfalls die Ausstellungen genießen können. Ebenso wurde die Stiftskirche grundlegend renoviert. Bei der Säuberung der Decken und Wände tauchten Malereien wieder auf, die durch Patina zugedeckt und der Vergessenheit anheimgefallen waren, jetzt aber nach Aufarbeitung wieder bestaunt werden können. Die Kirchengemeinde konnte Ihr Gotteshaus endlich wieder bestimmungsgemäß nutzen. Das Barbarossa Jahr wurde auch mit einem Umzug und Festivitäten auf dem Schlossgelände gebührend gefeiert. Darüber hinaus wurde die Zeit des Gottfried von Cappenberg wissenschaftlich erforscht. An den Erkenntnissen konnte die Bevölkerung durch Vorträge, Tagungen und einer Ausstellung im Museum teilnehmen.
Der Stadtteil Selm profitierte von dem Barbarossa Jahr. Prof Dr. Schaltenbrand spendete die sog. Staufer Stele nebst einem Bildschirm mit Erläuterungen auf dem Campusplatz, die von dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Lammert in einer würdigen öffentlichen Feierstunde enthüllt wurde. Außerdem kommen die Selmer in den Genuss eines neuen Museums, für dessen Besuch nicht einmal die Wohnung verlassen werden Muss. Das sog. Virteum verlangt nur einen Computer mit Internetanschluss. Die Ausstellungsstücke können sogar von zu Hause aus näher herangezoomt oder gedreht werden, um neue Perspektiven zu gewinnen.
Wir bedanken uns sehr herzlich bei allen Beteiligten, die mit viel Zeit, Arbeit und sogar eigenem Kapital das Barbarossa Jahr ermöglicht und durchgeführt haben. Derartiger ehrenamtlicher Einsatz ist alles anders als selbstverständlich und vorbildlich.
Selbstverständlich gilt unser Dank auch allen anderen Ehrenamtlichen bei der Feuerwehr und dem Katastrophenschutz, in caritativen Einrichtungen, Vereinen usw. Es mögen sich bitte auch diejenigen angesprochen fühlen, die nicht gesondert erwähnt worden sind. Die vollständige Aufzählung würde den Zeitrahmen sprengen. Festzuhalten ist, dass ohne ehrenamtlichen Einsatz ein funktionsfähiges Gemeinwesen weder denkbar noch realisierbar ist.
Unser Dank gilt auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt, der Stadtwerke und sonstigen kommunalen Einrichtungen. Auch wenn Sie – aus verständlichen Gründen – nicht unentgeltlich tätig sind, ist Ihr Einsatz und Fleiß für die Stadt und die Bürger unverzichtbar.
Wer arbeitet, macht – geradezu zwangsläufig – auch Fehler. Einige wenige seien beispielhaft genannt, die im letzten Jahr publik geworden sind:
Nach der Renovierung der Kreisstraße verklagte ein Bauunternehmer die Stadt Selm auf Zahlung ihm vermeintlich noch zustehender Gelder. Die Stadt bestritt die Forderungen und machte u.a. ihrerseits Ansprüche wegen Baumängeln in nicht unerheblicher Höhe geltend. Die zuständige Kammer des Landgerichts unterbreitete einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unter Darlegung, welche wechselseitigen Ansprüche als wohl begründet oder auch nicht bezeichnet wurden. Die Mängelansprüche der Stadt wies das Gericht als unschlüssig zurück, d.h. sie waren weder logisch noch nachvollziehbar dargestellt. Es ist ein Armutszeugnis, dass Fachleute vom Bauamt nicht in der Lage waren, Baumängel überzeugend zu beschreiben. Hätten sie dies getan, hätte sich der zu zahlende Geldbetrag zu Lasten der Stadt reduziert.
Im Rahmen der Neugestaltung legte die Stadt entlang der Kreisstraße den Parkplatz „Landsbergstrasse“ an. Hierbei unterließ sie es, die Parkfläche im Bebauungsplan als „öffentlich“ zu widmen. Für öffentliche Parkplätze gelten andere Regeln als für solche, die nur der Öffentlichkeit zugänglich sind (z.B. Parkplätze der Supermärkte). Auf den letztgenannten gilt beispielsweise nicht die Straßenverkehrsordnung, wohl aber auf öffentlich gewidmeten. Im Fall Parkplatz Landsbergstraße wurde die unterlassene Widmung als „öffentlich“ verhängnisvoll. Bei „öffentlichen Parkplätzen“ müssen dem Lärmschutz dienende Vorschriften nicht bzw. nur großzügiger eingehalten werden. Ein Anlieger hatte bereits in der Planungsphase gegen die Errichtung der Parkfläche protestiert und später gegen die Baugenehmigung geklagt. Das Verwaltungsgericht gab dem Anlieger wegen Verstoßes gegen die Lärmschutzvorschriften Recht. Die Stadt mußte die Baugenehmigung zurücknehmen. Seit März 2022- also rund 11 Monaten – entbehrt der Parkplatz Landsbergstr. also jeglicher Rechtsgrundlage. Was hat die Stadt seither gemacht? Eigentlich nichts! Statt die öffentliche Widmung nachzuholen, will sie den Anlieger dadurch besänftigen, dass eine Schranke errichtet wird und die Parkmöglichkeit dadurch in den Nachtstunden unterbindet. Auch die Ladesäulen für E-Autos sind nicht nutzbar. Wer sein KFZ abends nicht rechtzeitig abholt, hat halt Pech gehabt! Die Kosten für die eigentlich völlig überflüssige Schranken -Anlage belaufen sich auf mehrere 10.000 €.
Im Jahre 2018 hat die Stadt Selm den sog. Alten Marktplatz in Bork an die Caritas zwecks Errichtung eines Altenheims veräußert. Sie hat sich vertraglich verpflichtet, die vorhandene Bebauung abzureißen und Grund und Boden in baureifem Zustand zu übergeben. Im Herbst 2022 teilte die Verwaltung mit, bei dem Abriss sei es zu Fehlern gekommen. Der Boden müsse aufbereitet werden. Das seinerzeit ausführende Unternehmen sei nicht mehr am Markt. Die Stadt müsse umgehend rund 140,000 € zur Herstellung der Baureife bereitstellen. Diesem Antrag folgte der Rat nicht. Die Vorlage sei unzureichend und biete keine tragfähige Entscheidungsgrundlage.
Seither haben mehrere Sitzungen auf verschiedenen Ebenen stattgefunden.
Es stellte sich u. a. heraus, dass neben dem Bauamt auch ein Architekt für die Stadt tätig war und die Mängel an Grund und Boden bereits seit Januar 2019 bekannt waren. Auch ist das seinerzeit ausführende Unternehmen nach wie vor wirtschaftlich aktiv. Wir halten es für ein Armutszeugnis, dass die Stadt bis zum heutigen Tag noch keine umfassende alle Fragen beantwortende Vorlage erstellen konnte. Hoffen wir, dass der von der Stadt beauftragte Rechtsanwalt den Sachverhalt aufklärt, uns eine Entscheidungsgrundlage bietet und -falls erforderlich- Rückgriffsmöglichkeiten aufzeigt, um finanzielle Schäden von der Stadt abzuwenden.
Vor einigen Jahren hat die Stadt bekanntlich 8 Häuser an der Kreisstr. ohne Wertgutachten zum Preis von 4,2 Mio. € gekauft. Der Kaufpreis musste finanziert werden. Unser neuer Bürgermeister hat die Liegenschaften vor einiger Zeit als Schrott-Immobilien qualifiziert. Die Häuser sind seit 2021 geräumt, sodass sie nicht einmal durch Mieteinnahmen mehr einen kleinen Beitrag zu den beträchtlichen Finanzierungskosten leisten. Es wurde sodann ein Erbbaurechtsvertrag über die Grundstücke geschlossen. Der erste Erbbauzins wird erst mit der Erteilung der Baugenehmigung fällig. Es wird Jahrzehnte brauchen, bis der Kaufpreis und die horrenden angefallenen Zinsen gedeckt worden sind. Das Geld fehlt aber jetzt, um aktuell erforderliche Investitionen in die Tat umsetzen zu können.
Wie hinreichend bekannt, ist die finanzielle Lage Selms seit vielen Jahren mehr als angespannt. Die FDP findet es sehr bedauerlich, dass die Verwaltung unter Führung des Bürgermeisters teilweise die gebotene wirtschaftliche Arbeitsweise nicht genügend konsequent beachtet.
Den Haushalt für das Jahr 2022 hat die FDP bekanntlich abgelehnt, weil unserer Meinung nach Haushaltsansätze zu positiv angenommen wurden. Die Erhöhung der Einkünfte wurde zu hoch, die der Ausgaben zu niedrig eingeschätzt. Allerdings konnte der Haushalt 22 mit einem kleinen Gewinn abgeschlossen werden. Die Bilanz der Stadt weist erstmals seit vielen Jahren wieder ein Plus von ca. 300.000 € auf, d.h. das Vermögen übersteigt endlich einmal wieder den Schuldensaldo! Sehr erfreulich! Allerdings sollten wir uns nicht zu früh freuen. Es ist nämlich ein außerordentlicher Gewinn in Höhe von 1 Mio. € verbucht. Dieser Gewinn besteht nicht aus echtem Geld, sondern ist ein Buchungstrick. Die Städte und Gemeinden sind vom Land NRW angewiesen, Corona bedingte Mehraufwendungen nicht als Verlust, sondern mit einem außerordentlichen Gewinn zu neutralisieren- Stichwort: Isolierung der Corona bedingten Kosten. Ferner sind die Schlüsselzuweisungen um 1,5 Mio. € höher und die Versorgungsaufwendungen um 300.000 €niedriger ausgefallen.
Im Haushaltsentwurf 2023 werden die Erträge z.B. aus der Einkommenssteuer höher angesetzt als im Vorjahr. In Anbetracht der derzeitigen volatilen Wirtschaftslage ist eine Steigerung keineswegs sicher.
Die Energiekosten steigen drastisch.
Gleiches gilt für die Zinsen, die in Anbetracht der städtischen Verschuldung von mehr als 100 Mio. € eine sehr namhafte Kategorie darstellen An Investitionen sind rund 14 Mio. € eingeplant. Bei galoppierenden Baupreisen ist sehr zweifelhaft, ob die geplanten Kosten realistisch einzuhalten sind.
Äußerst bedenklich ist nach unserer Meinung die Möglichkeit des Landes NRW, die Corona und Ukraine Krieg bedingten Mehraufwendungen in diesem und den folgenden Jahren im Haushalten zu isolieren. Allein in diesem Jahr werden mehr als 7 Mio. € aufgewandt, durch lediglich fiktiven außerordentlichen Gewinn aber gegengebucht. Erst in 4 Jahren müssen diese Verluste verteilt auf Raten bis zu 50 Jahren anteilig in den Haushalt tatsächlich eingestellt werden. Unsere Verschuldung wird, wie die Kämmerin zutreffend mitgeteilt hat, sich in 4 Jahren um ca. 30 % auf rund 150 Mio. € steigern. Die buchhalterische Trickserei sorgt dafür, daß die jetzt gemachten Schulden auf die nachfolgenden Generationen zu überwälzt werden Die FDP hält diesen Verstoß gegen die Generationen- Gerechtigkeit für nicht akzeptabel.
Die Kämmerin hat dankenswerterweise in ihrer Rede vom 16.12.22 zur Einbringung des Haushalts auf die vielen Unsicherheiten und Bedenken von sich aus hingewiesen, denen wir uns im vollen Umfang anschließen.
Unter Berücksichtigung der vielen Unklarheiten sehen wir uns auch dieses Jahr leider nicht in der Lage, dem vorgelegten Haushalt zuzustimmen.
Gleichwohl danken wir unserer Kämmerin und ihren Mitarbeitern für die sicherlich schwere
und verantwortungsvolle Erstellung des Entwurfs. Die Arbeit an diesem Zahlenwerk war sicherlich nicht Vergnügungssteuerpflichtig.
Zur Klarstellung weisen wir darauf hin: Die Ablehnung des Haushalts bedeutet keineswegs die Fundamental-Opposition. In jeder einzelnen zukünftigen Entscheidung werden wir uns auch zukünftig sachlich- konstruktiv einbringen.
Abschließend noch ein sehr wichtiges und uns bedrückendes Thema: Im letzten Jahr tauchte der Verdacht auf, drei Ratsmitglieder in Selm und gleichzeitig oder vorher Mitglieder des Kreistags in Unna hätten falsche Abrechnungen des Verdienstausfalls gefertigt und sich in betrügerische Weise ungerechtfertigt bereichert. Die Angelegenheit hat heftige Reaktionen bei uns und in der Selmer Öffentlichkeit hervorgerufen. Wir wurden von den Bürgern immer wieder angesprochen, warum wir nichts unternehmen. Der Rat hat an die Beschuldigten appelliert, ihr Gewissen zu prüfen und ggf. Konsequenzen zu ziehen. Das Vertrauen der Bürger in die Redlichkeit aller Ratsmitglieder und unser demokratisches System insgesamt ist stark erschüttert und beeinträchtigt.
In unserem Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung. Jeder hat so lange als unschuldig zu gelten, bis durch rechtskräftige Entscheidung das Gegenteil bewiesen ist. Wir hoffen nun auf zügige weitere Ermittlungen und zeitnahe Entscheidungen.
Am wünschenswertesten wären Freisprüche. Dann wären wir alle von dem Verdacht befreit, uns auf Kosten der Bürger ungerechtfertigt zu bereichern.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Selm wird als die ständige Vertretung des Ruhrgebiets im Münsterland bezeichnet.
Ich möchte deshalb schließen mit
Glück Auf und Guat Goan
Klaus Schmidtmann
Rede zum Haushalt der Stadt Selm 2022
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Frau Beigeordnete,
Damen und Herren der Verwaltung,
sehr geehrte Damen und Herren Ratsmitglieder
sowie sonstige anwesende Selmer Bürger,
das Jahr 2021 neigt sich dem Ende zu und gleichzeitig steht der Haushalt des Jahres 2022 auf der Tagesordnung. Es ist an der Zeit, sowohl einen Blick zurück als auch nach vorn zu werfen.
Vor gut einem Jahr haben die Selmer Bürger in der Kommunalwahl den Rat und den Bürgermeister neu bestimmt. Eine der ersten Aufgaben des neuen Rates war die erneute Bestellung unserer Kämmerin. Insoweit sind wir alle seit etwas mehr als ein Jahr in Amt und Würden.
Die FDP-Fraktion ist in der aktuellen Besetzung neu in den Rat eingezogen. Die Kolleginnen und Kollegen haben uns von Anfang an freundlich in die Gemeinschaft aufgenommen und – soweit erforderlich – unterstützt. Für die faire Behandlung durch das gesamte Haus bedanken wir uns.
Dies gilt auch für unseren Bürgermeister mit zwei Einschränkungen. Im letzten Jahr durften wir überraschend aus der Tageszeitung erfahren, daß die Stadt Selm die Rettungsstation in eigener Regie baut und finanziert. Der für diese Entscheidung zuständige Stadtrat hatte allerdings zu dieser Zeit weder getagt, geschweige den darüber beschlossen. Es war also durch die Stadt ein Factum ohne jede Rechtsgrundlage verkündet worden. Dies hat die FDP moniert. Bei der Erörterung stellte sich heraus, daß diese Handhabung wohl ein Relikt aus Zeiten anderer Bürgermeister war. Früher hatte ein Bürgermeister vorgreiflich etwas verkünden lassen in der sicheren Erwartung der Genehmigung durch den Rat. Nach unserem Einspruch hat der amtierende Bürgermeister die ungesetzliche Handlungsweise, die einer Amtsanmaßung nahekommt, eingestellt. Erregung und Protest hat das Verfahren zur Bestellung des neuen Geschäftsführers der Stadtwerke ausgelöst. Unter Leitung des Bürgermeisters hatte sich eine Auswahlkommision auf einen Aspiranten geeinigt. Dieser wurde im Ältestenrat persönlich vorgestellt und zur Wahl im Rat vorgeschlagen. In dem nicht-öffentlichen Teil der Ratssitzung übergab der Bürgermeister die Sitzungsleitung an seinen Stellvertreter und verließ den Saal. Es wurde uns und anderen Ratsmitgliedern erstmals bekannt, daß der vorgeschlagene Kandidat ein naher Verwandter des Bürgermeisters ist. Die neue Situation löst erregte Debatten aus. Der Rat war sich darüber einig, an diesem Tag einen Beschluß weder fassen zu können, noch zu wollen. Nicht nur unsere Fraktion war darüber empört, unvollständig informiert worden zu sein. Wie soll eine richtige Entscheidung getroffen werden, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen verschwiegen werden?
Im ersten Semester des Studiums der Rechtswissenschaften wird den Studierenden eingebläut, ein Blick in das Gesetz erleichtere die Rechtsfindung. Dies scheint Herr Orlowski unterlassen zu haben. Er wäre sonst unschwer auf § 31 der Gemeindeordnung gestoßen, der die Amtsausübung strikt untersagt, wenn eigene oder naher Verwandter Interessen in Frage stehen. Die Gesetzesformulierung ist so eindeutig, daß es zum Verständnis keineswegs eines Jura-Studiums bedarf. Wir dürfen davon ausgehen, daß die einschlägigen Gesetze -insbesondere die Gemeindeordnung – einem Bürgermeister geläufig sind. Gleichwohl war das Verwandtschaftsverhältnis verschwiegen worden, mutmaßlich sogar absichtlich.
Nachdem das Fehlverhalten öffentlich wurde, wurden wir sowohl persönlich als auch schriftlich seitens der Selmer Bürgerschaft aufgefordert, energisch gegen Mauscheleien und sog „Kölschen Klüngel“ einzuschreiten. Dieser Aufforderung hätte es nicht bedurft, denn die FDP versteht sich als Rechtsstaatspartei und hätte ohnehin die Angelegenheit nicht stillschweigend auf sich beruhen lassen. Wir betrachten es als gravierenden Verstoß, den Stadtrat und die Selmer Bürger hinters Licht zu führen. Die FDP Selm mißbilligt auf schärfste die ungesetzliche Handlungsweise des Bürgermeisters. Vor einer Woche hat der Bürgermeister in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses sein Fehlverhalten eingestanden und öffentlich um Verzeihung für die Verletzung des Vertrauensverhältnisses gebeten.
Sehr geehrter Herr Orlowski, es war für Sie sicherlich nicht leicht, sich in der Öffenlichkeit zu offenbaren und Abbitte zu leisten. Nach eingehender interner Beratung sind wir zu dem Schluß gekommen, die Zusammenarbeit mit Ihnen fortzusetzen. Allerdings müssen Sie mit unserer Aufmerksamkeit auch zukünftig rechnen.
Ich darf mich jetzt den Finanzen unserer Stadt zuwenden.
Bei Einbringung des Haushalts hat unsere Kämmerin darauf hingewiesen, der Entwurf sei der siebte in Folge, der einen ausgeglichen Saldo ausweise. Die davor präsentierten zwanzig Haushalte hätten jeweils mit negativem Ergebnis geschlossen. Die schlechte Finanzlage führte Anfang der zehner Jahre zur Überschuldung, d.h. die Schulden der Stadt überstiegen ihr Vermögen incl. des Grundbesitzes etc.
Die Stadt ließ damals durch den Sachverständigen Mutter ein Gutachten anfertigen, wie es zu dieser Misere gekommen sei und durch welche Maßnahmen sie zu beseitigen sei. Der Gutachter ermittelte u.a. an, die Stadt habe sich trotz drohender Pleite angenehme und schöne Dinge geleistet, die aber nicht wirklich erforderlich seien. Er verwies hierbei auch auf das Bürgerhaus, das kurz vorher errichtet worden war.
Die FDP-Frakton fürchtet, daß dieser Fehler wiederholt wird bzw wiederholt worden ist, worauf ich im folgenden noch eingehen werde. Um aus der Klemme herauszukommen, wurde Selm zwangsweise Mitglied des Stärkungspakts. Selm wurde seitens der Aufsichtsbehörden aufgegeben. alle nicht nicht zwingend erforderlichen Ausgaben unterlassen und die Einnahmen drastisch erhöhen. So wurde die Grundsteuer auf einen damals fast rekordverdächtigen Hebesatz von 825 Punkte erhöht. Im Gegenzug erhielt Selm Zuschüsse des Landes i. H. v. mehreren Millionen jährlich. Die letzte degressive Leistung erfolgte 2020. Die erhöhten Einnahmen wanderten nicht in den städtischen Sparstrumpf, sondern wurden u.a.in die Infrakstruktur investiert. Als Beispiel sei die Komplett-Sanierung der Kreisstrasse inklusive Kanalisation genannt. Außerdem wurden und werden in Bork und Selm neue Betriebe angesiedelt, die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen generieren. Ferner bot sich die Regionale 2016 an. Die dort anerkannten Projekte erhielten Zuschüsse in Höhe von 80% . Aufgrund dieser Finanzspritzen konnte der Auenpark, die Aktive Mitte und der Bereich Campus entstehen. Das Sunshine erhielt eine komplette Renovierung die Skater Bahn entstandt und ebenso die 2-fach Turnhalle. Die renovierungsbedürftige 3-fach Turnhalle sollte überarbeitet worden-ebenfalls zu 80% gefördert.
An dieser Stelle begann die Wiederholung des Fehlers, die eigene Finanzkraft zu überschätzen. Der Rat beschloss, die Halle um eine Mehrzweck- Konzerthalle, einen Kongresssaal und eine grössere Gastronomie etc zu erweitern. Die zusätzlichen Kosten stellten sich als nicht als förderfähig heraus. Der geschätzte Betrag von 6-7 Millionen € muß komplett aus eigenen – nicht vorhandenen – Mitteln gezahlt werden.
Die FDP hält diese Investition für weitestgehend sinnlos und in Anbetracht der leeren Kassen für unverantwortlich.
Weiterhin ließ sich der Rat überreden, auf der Kreisstr. sieben Häuser zum Preis von 4,2 Millionen € zu kaufen. Es machte sich niemand die Mühe, den tatsächlichen Wert der Kaufgegenstände durch Einholung eines Sachverständigegutachtens zu ermitteln. Die Verkäufer werden wahrscheinlich das Geschäft Ihres Lebens gemacht haben.
Herr Bürgermeister Orlowski bezeichnete die Häuser noch kürzlich als mit Schimmel versehene Bruchbuden, die nicht renovierungsfähig bzw. renovierungswürdig seien. Zur Erinnerung -4,2 Millionen €! Die Grundstücke wurden an einen Erbbauberechtigten weitergegeben. Es wird jahrzehnte brauchen, bis der Erbbauzins den Kaufpreis abdeckt. Die Verwaltung und Teile der Politik argumentieren, Städtebauliche Maßnahmen seien kostenträchtig. Tatsächlich zieht jedoch nur ein bereits auf der Kreisstraße ansässiges Geschäft diverse Meter von links nach rechts, ein anderes von rechts nach links. Beide hinterlassen Leerstände, sodaß die Kreistraße die Anmutung eines Gebisses mit ausgeschlagenen Zähnen erweckt. Unter gelungener städtebaulicher Maßnahme verstehen wir bei dem hohen Kapitaleinsatz nebst bereits gezahlten und auf unabsehbar Zeit weiter anfallenden Zinsen wahrlich etwas anderes.
Die Liste der Ausgaben für gelungene Projekte wie der Ansiedlung neuer Unternehmen, die Steuereinnahmen und Arbeitsplätze bringen, lässt sich ebenso fortsetzen wie die der von Anfang an zum Scheitern verurteilten kostenträchtigen. Festzustellen ist, daß Selm trotz reichlich geflossener Gelder, nämlich – mehr als 20.000 Mio € aus dem Stärkungspakt – erhöhten Steuern und Abgaben der Bürger sowie kostengünstigen Investitionen im Zusammenhang mit der Regionale 2016 nach wie vor überschuldet ist. Der Schuldenberg beläuft sich auf ca. 100.000.000.00 €. Zur Verdeutlichung; eine Zahl mit 8 Nullen! Jeder Einwohner von Selm hat ca 3800,00 € Schulden vom Neugeborenen bis zum Greis!
Wenden wir uns dem aktuellen Haushaltsentwurf zu: Unsere Beigeordnete Sylvia Engemann, ihr Mitarbeiter Herr Jungeilges und die sonstige Verwaltung haben die fast unmögliche Aufgabe übernommen, einen Haushalt für das Jahr 2022 mit möglichst hohem Wahrscheinlichkeitswert zu erstellen. Für diesen Balanceakt danken wir Ihnen. In Corona Zeiten sind die Einnahmen an Gewerbe-, Einkommens- und Lohnsteur etc. kaum sicher zu prognostizieren.Wer hätte hat vor 2-3 Monaten gedacht, daß trotz Impfmaßnahmen Rekordwerte bei Inzidenszahlen erreicht werden. Die Umsätze der Gaststätten und des Handels sinken besorgniserregend, das Weihnachtsgeschäft ist bedroht. Zudem verbergen sich hinter den im Haushalt verzeichneten außerordentlichen Erträgen von 1 Million € in Wahrheit Verbindlichkeiten, die ab 2025 abgeschrieben werden müssen. Das vermeintliche Plus des Haushalts in Höhe von 52.000 € ist deshalb sehr mit Vorsicht zu zu betrachten. Wir müssen mit folgenden Risiken rechnen: die vierte Coronawelle rollt wie stark und wie lang wird sie werden? kommt noch eine fünfte Welle? Lt. dem Statistischen Bundesamt steigt die Inflation auf 5,2 % Preiserhöhungen sind deshalb mit Sicherheit zu erwarten die Preise für Baumaterialien sind bereits in diesem Jahr „explodiert“ die Preise für Bauleistungen sind spürbar gestiegen und werden diese Tendenz fortsetzen in naher Zukunft werden die Zinsen steigen, d.h. Kredite werden deutlich teurer werden die Belastung des Haushalts durch Zinsen und Tilgung sich erhöhen Im Haushalt sind Verbindlichkeiten von ca. 100 Millionen € verzeichnet. Allein im kommenden Jahr sind Zins-und Tilgungsleistungen in Höhe von 4,8 Millionen € geplant. Ein Ansteigen der Zinsspirale wird heftige Auswirkungen nach sich ziehen. Trotz des instabilen Haushalts sind erneut Investitionen in Höhe von ca. 20 Millionen € geplant mit einer Neu-Verschuldung bis zu 15 Millionen €.
Die FDP sieht sich ausser Stande, diesem Haushalt mit sehr ungewissen Einnahmen aber sicherlich noch weit höheren Ausgaben zuzustimmen. Uns scheint es, als steuere Selm erneut mit Vollgas auf einen Abgrund zu. Andererseits können selbstverständlich aber nicht alle Ausgaben und Investitionen mit einem Strich des Federkiels gestrichen werden.
Wir schlagen deshalb vor: Die Investitionen werden zeitlich „gestreckt“, die jährliche Investitionssumme wird „gedeckelt“ und an die veränderte Einnahme/Ausgabe Haushaltssituation angepasst Wir erreichen damit die Stabilisierung der Haushaltslage die Reduzierung von Haushaltsrisiken die Reduktion von Tilgungs- und Zinszahlungen in den nächsten Jahren mehr Flexibilität bei Änderungen der Einnahmen bessere Finanzierbarkeit der Investitionen trotz Kostensteigerung Realisierung aller Investitionen.
Wir fordern folgendes Vorgehen in Bezug auf den diesjährigen Haushaltsentwurf:
- Die Deckelung der Investitionssumme auf max. 10 Millionen €
- Vorschläge der Verwaltung zu der Priorität der Investitionen untereinander, d.h. welche besonders wichtig und eilbedürftig sind
- Diskussion im HFA und Empfehlung an den Rat
- Beschluß des Rates
Die finanzielle Situation des Bundes und der Länder hat sich bekanntlich verschlechtert, die Schulden sind kräftig gestiegen. Mit kurzfristiger Hilfestellung ist nicht zu rechnen. Wir müssen den Realitäten ins Auge sehen. Je eher wir das tun, um so besser!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit
Glück auf
und gutt goahn